Balintgruppe für Rechtsanwälte im Familienrecht und anderen Rechtsgebieten


Wir, d.h. Herr Dr. med. Dankwart Mattke, Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Psychoanalyse und Frau Dr. jur. Susan Schäder, Fachanwältin für Familienrecht, planen die Gründung einer psychotherapeutischen Supervision für Familienrechtler nach dem Konzept einer sog. Balintgruppe und suchen hierfür unter den Münchner Familienrechtlern Interessenten.


1. Psychotherapeutische Dimension der Tätigkeit in helfenden Berufen

Der Arzt und Psychoanalytiker Michael Balint stellte bereits Mitte des letzten Jahrhunderts fest, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Tätigkeit in diversen beratenden Berufen, wie dem Hausarzt, eigentlich psychotherapeutischer Natur ist, allerdings ohne dass sich der jeweilige Berufsträger dessen bewusst ist. So werden vom Hausarzt dem Patienten immer wieder Ratschläge erteilt, es wird ihm einfühlsam zugehört, er wird beruhigt und beschwichtigt. Hierbei handelt es sich um psychotherapeutische Maßnahmen, die mitunter weitreichenden Einfluss auf das Leben und Selbstbild des Patienten haben.

Für diesen Teil der Tätigkeit im Bereich "allgemeiner Lebenshilfe", der beim Hausarzt nach Balints Schätzung mindestens ein Viertel der Arbeitszeit ausmacht, gibt es keine Ausbildung und Handlungsanweisungen. Der Hausarzt ist insoweit auf sich alleine gestellt, auf seinen eigenen "allgemeinen Menschenverstand" angewiesen. Er folgt meist ohne lange darüber nachzudenken seiner Intuition. Immer wieder kommt es zu unerwünschten Krankheitsentwicklungen und/oder zu Störungen im Arzt-Patienten-Verhältnis. Immer wieder wird ein Patient zum Stressfaktor für den Arzt, ohne dass sich dieser seines eigenen Beitrags an dieser Entwicklung bewusst ist. Er sieht nicht, wie sehr er selbst u.a. auch durch psychotherapeutisches Handeln sein Verhältnis zum Patienten und dessen Reaktionen aktiv mitgestaltet.


2. Psychotherapeutische Dimension der Tätigkeit des Familienrechtlers

Gleiches gilt analog für den Familienrechtler. Vergleichbar einer ernsthaften oder chronischen Erkrankung, befinden sich die Mandanten des Familienrechtlers infolge der Trennung von ihrem Partner regelmäßig in einer akuten Lebenskrise. Sie erwarten, vergleichbar dem Patienten beim Hausarzt, neben der rechtlich richtigen Diagnose mit anschließender richtiger rechtlicher "Behandlung", Mitgefühl, Verständnis und sonstige rein zwischenmenschliche Hilfe. Der Familienrechtler ist, ebenso wie der Hausarzt, einen nicht unwesentlichen Teil seiner Arbeitszeit damit befasst, seinen Mandanten zuzuhören, sie zu trösten, zu beschwichtigen und Ratschläge zu erteilen, die weit über den juristischen Bereich hinausgehen. Auch er ist sich hierbei der Wirkweise dieser psychotherapeutischen "Behandlung" seines Mandanten nicht bewusst, sondern folgt seiner Intuition, ohne darüber groß nachzudenken.

Jeder Familienrechtler kennt Mandatsverhältnisse, die sich irgendwie zu einer Quelle laufenden Stresses, unfruchtbarer Diskussionen und ständiger Querelen entwickelt haben, trotz allem Engagements und aller fachlichen Kompetenz, die der Anwalt aufgebracht hat. Oft kann man sich diese Negativentwicklung nicht erklären, außer damit, dass der Mandant eben einfach "schwierig" ist. Wir sind uns nicht bewusst, dass wir z.B. durch eine falsche psychologische Reaktion das gestörte Mandatsverhältnis u.U. mitverursacht haben und, dass sich solche Störungen zumindest teilweise mit der richtigen Einsicht und mit einem professionelleren Verhalten vermeiden ließen.


3. Entwicklung der Balintgruppen

Um den jeweiligen Berufsträgern beratender Berufe ein Bewusstsein und eine Sensibilität für die psychotherapeutische Dimension ihres beruflichen Handelns zu vermitteln, wurden von Michael Balint die sog. Balintgruppen gegründet, zunächst für Hausärzte, später auch in anderen beratenden Berufsfeldern. In diesen Gruppen soll durch berufsbezogene Selbsterfahrung und Supervision am konkreten Fall Reflexion und Empathie eingeübt werden.

Die Teilnahme an einer Balintgruppe ist für einige Facharztrichtungen, wie den Facharzt für Psychiatrie, in der Ausbildung obligatorisch. Sie ist in anderen Berufsgruppen weit verbreitet. Die Wirksamkeit der Balintarbeit ist seit vielen Jahren weltweit anerkannt.


4. Praktische Ausgestaltung der Balintgruppe

Eine Balintgruppe besteht aus ca. 12 Trägern einer spezifischen Berufsgruppe, wie z.B. Ärzten, oder eben auch Familienrechtlern, die sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten regelmäßig zusammenfinden, um am konkreten Fall Einblick in die psychologische Dimension ihrer Tätigkeit zu gewinnen. Dies geschieht durch die gemeinsame Diskussion über Problemmandanten/-patienten unter der Leitung eines speziell hierfür ausgebildeten psychotherapeutischen Supervisors. Jeweils ein Berufsträger schildert einen konkreten Fall aus seiner Kanzlei/Praxis, der anschließend gemeinsam reflektiert und diskutiert wird.


5. Ziel der Balintgruppenarbeit

Ziel ist es hierbei u.a. die Verhaltensweisen und Empfindungen des Mandanten besser zu verstehen und den eigenen Anteil an einem gelungenen oder misslungenen Verhältnis zum Patienten/ Mandanten zu erkennen. Es soll in der Balintgruppe der professionelle Umgang mit psychologisch "schwierigen" Mandanten gelernt werden.

Mittelfristig führt dies nicht nur zu zufriedeneren Mandanten, die sich gut aufgehoben wissen, zur Vermeidung von Stress, Ärger, Honorarausfällen und Mandatsverlusten bei Mandanten, die sich nicht verstanden fühlen. Mittelfristig hilft dies auch, einen (noch) befriedigenderen Arbeitsalltag zu erleben, weil wir dort, wo wir bisher unreflektiert, impulsiv und spontan reagierten, künftig bewusst gestalten und zielgerichtet helfen können.


5. Kontaktadresse, weitere Vorgehensweise

Wer Interesse an der Teilnahme an einer Balintgruppe für Familienrechtler hat, meldet sich bitte unter der E-Mail-Adresse: schaeder@familien-und-erbrecht.com.

Die Gruppe wird ein Mal monatlich am Freitagnachmittag für die Dauer von zwei Mal 1 ½ Stunden stattfinden. Selbstverständlich müsste Vertraulichkeit gegenseitig zugesichert werden. Wir planen vorläufig einmal eine Dauer von 12 Monaten, u.U. könnte eine solche Gruppe auch über einen Zeitraum von mehreren Jahren laufen, u.U. auch mit wechselnder Besetzung.

Kosten: 35,00 € pro Person und Doppelstunde, d.h. 70,00 € pro Nachmittag.
Ort: Kanzlei für Familien & Erbrecht, Hackenstrasse 7, 80331 München


6. Ausblick

Es wird sich zeigen, dass Sie nicht nur von der Vorstellung eigener Fälle, sondern auch von der Diskussion der Fälle der anderen profitieren können. Wir rechnen fest damit, dass wir immer wieder erstaunt sein werden, wie anders die Kolleginnen und Kollegen mit den auftauchenden zwischenmenschlichen Problemen in der beruflichen Praxis umgehen. Der Umgang mit den Mandanten ist im Ergebnis doch etwas höchst Individuelles. Wir sind uns sicher, dass wir alle von einander lernen können. Unser Blick auf die anderen und uns selbst wird sich durch die Teilnahme an der Gruppe verändern und unser beruflicher Alltag wird hierdurch reicher sein.

Wir freuen uns auf den Beginn der Balintgruppe für Münchner Familienrechtler. Am Freitag, den 3. Februar um 14:00. Bis auf weiteres soll die Gruppe jeweils an jedem ersten Freitag im Monat stattfinden mit Ausnahme der bayerischen Sommerferien. Es haben sich bisher 9 Anwältinnen und Anwälte fest angemeldet. Wir würden nach entsprechender Rücksprache im Laufe des Jahres noch 3 Teilnehmer in die Gruppe aufnehmen. Bei Interesse können Sie Kontakt aufnehmen unter:

E-Mail: schaeder@familien-und-erbrecht.com oder telefonisch: 089 - 238 875 80 (Dr. Susan Schäder).


Dankwart Mattke und Susan Schäder, München im Januar 2006


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